Kleines "Lexikon" der Maßnahmen zur Korruptionsprävention
Vier-Augen-Prinzip (Mehr-Augen-Prinzip)
Das Vier-Augen-Prinzip ist als Gegenkontrolle bei bestimmten Arbeitsvorgängen
zu verstehen. In korruptionsgefährdeten Arbeitsgebieten stellt es eine durch
die Beteiligung mehrerer (i.d.R.: zwei) Beschäftigter oder Organisationseinheiten
eine Mitprüfung sicher.
Bei Vorliegen der notwendigen Rahmenbedingungen kann das Vier-Augen-Prinzip
ein sehr wirksames Instrument sein; dem gegenüber verfehlt es seinen Zweck,
wenn es aufgrund unzureichender Rahmenbedingungen zu keiner qualifizierten Kontrolle
führt, sondern nur ein "schnelles Mitzeichnen" einer zweiten Person ohne eine
fundierte Kontrolle sichert (vor allem in sog. Massengeschäften). In diesem
Fall vermittelt die Umsetzung dieses Prinzips eine nur scheinbare Sicherheit und
verstellt dann sogar den Blick auf vorliegenden Handlungsbedarf.
Das Vier-Augen-Prinzip ist nicht nur ein wichtiges Präventionsmittel im
Rahmen der Vorgangsbearbeitung, sondern auch bei der Wahrnehmung von
Besprechungs-, Verhandlungs- und Ortsterminen angezeigt, um eine
funktionierende Kontrolle und einen ausreichenden Schutz der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter zu sichern.
Neben den Fällen, in denen das Vier-Augen-Prinzip das eindeutig bestgeeignete
Mittel zur Korruptionsprävention ist, steht es gelegentlich neben anderen
Mitteln zur Verfügung, um eine genügende Kontrolldichte zu erreichen.
Es gibt jedoch auch Ausnahmebereiche, in denen sich die Einführung als
kontraproduktiv erweisen kann, z.B. weil der Nutzen des Einsatzes von
Informationstechnik unverhältnismäßig beschränkt würde
(Beispiel: Die regelmäßige Auszahlung monatlicher Sozialhilfeleistungen).
Sofern Rechtsvorschriften oder unüberwindliche praktische Schwierigkeiten
der lückenlosen Verwirklichung des Vier-Augen-Prinzips entgegenstehen,
kann die Mitprüfung auf Stichproben beschränkt werden (unter den
Maßgaben einer wirksamen prozessabhängigen oder prozessunabhängigen
Kontrolle); andernfalls sind zum Ausgleich andere Maßnahmen der Korruptionsvorsorge
(z.B. eine intensivere Dienst- und Fachaufsicht) geboten.
Die Einrichtung des Vier-Augen-Prinzips sollte immer schriftlich geregelt werden.
Dabei sollten die jeweilige Struktur sowie die Verantwortungstiefe jeweils
spezifisch und zweifelsfrei bestimmt werden.
Das Vier-Augen-Prinzip zählt zu jenen Maßnahmen, deren Wirksamkeit
unbedingt turnusmäßig und in nicht zu langen Fristen überprüft
werden sollte. In einem qualifizierten System zur Korruptionsprävention
sollte es deshalb als untersuchungs- und berichtspflichtiges Element im Rahmen des
Berichtswesens zur Antikorruption nicht fehlen.