Kleines "Lexikon" der Maßnahmen zur Korruptionsprävention
Regeln zum Verbot der Vorteilsannahme
Für öffentlich Bedienstete gilt ein grundsätzliches Verbot der
Annahme von Zuwendungen und Vorteilen jeder Art. Dieses Verbot findet sich in
den beamten-, tarif- und strafrechtlichen Bestimmungen.
Die öffentliche Verwaltung unterliegt den Geboten der Objektivität und
der Neutralität. Um diesen Geboten entsprechen zu können, ist auch eine
unparteiische, uneigennützige und gerechte Amtsausübung ihrer
Bediensteten von Nöten. Dem entgegen stehende Sachverhalte, z.B.
unrechtmäßige Einflussnahmen Dritter, müssen ausgeschlossen
werden.
Auch ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass sich aus jedweder
"Klimapflege" leicht Kontakte und moralische Verpflichten ergeben
können, die von Dritten zu einem späteren Zeitpunkt gfs. für
korruptive Zwecke genutzt werden. Restriktive Regelungen hinsichtlich der
Annahme von Belohnungen und Geschenken helfen Interessenkollisionen zwischen
dienstlicher Tätigkeit und privaten Beziehungen zu vermeiden.
Eine besondere Bedeutung kommt den Regeln zu Vorteilsannahmen unter dem Aspekt
der Prävention vor der sog. planmäßigen oder organisierten
Korruption (im Gegenüber zur spontanen Korruption) zu. Die Gabe kleiner
Aufmerksamkeiten und Geschenke, die zunächst unverfänglich sind, kann
eine Einstimmung zur Korruption sein. Der Vorgang des sog.
"Anfütterns" beginnt mit derartigen Vorteilsgaben. Diese werden
wiederholt und mit steigendem Wert "geschenkt", bis eine Grenze
überschritten ist, bis zu der dem öffentlich Bediensteten noch ein
einfacher Ausstieg möglich war. Ab diesem Zeitpunkt wäre ein Ausstieg
wegen der bereits eingetretenen Verstrickung nur noch unter Nachteilen möglich,
sodass er sich "in der Hand des Dritten" befindet.
In der Praxis ergeben sich - in manchen Aufgabenbereichen mehr, in anderen
weniger - besonders auch dann Bewertungsfragen für Beschäftigte, wenn
dienstliche Termine wahrgenommen werden müssen, bei denen Vorteile
gewährt werden (z.B. eine Bewirtung erfolgt). Auch stellt sich die Frage
der sog. Sozialadäquanz hinsichtlich von Vorteilsgaben im Einzelfall.
Der Korruptionsprävention dient in diesem Sinne die Schaffung verbindlicher
Verhaltensregeln für den Umgang mit Vorteilen und Geschenken; als unbedingt
geboten erscheint das Vorgehen mittels einer Dienstanweisung.
Folgende Regelungsinhalte einer Dienstanweisung sind mindestens empfehlenswert
(hier werden nur die sich aus der Korruptionsprävention ergebenden Inhalte
genannt; aus anderen Gründen gebotene Inhalte sind nicht Thema dieser
Veröffentlichung):
- Aussprechen eines grundsätzlichen Verbots der Annahme jedweder
Belohnungen und Geschenke.
- Ausdrückliche Formulierung der Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot,
z.B.
- einzelne, geringwertige Aufmerksamkeiten (z.B. Werbeartikel einfacher Art),
- adäquate Erfrischungen bei Besprechungen, eine adäquate Bewirtung
anlässlich der Wahrnehmung repräsentativer Aufgaben.
Die Annahme von Bargeld und Alkohol sollte in jedem Fall unzulässig sein;
dies sollte auch Vorteilsgaben von nur sehr geringem Wert umfassen.
- "Trinkgeldregelungen" für Bereiche, in denen die Gabe von
Trinkgeld gesellschaftlich üblich ist und kaum verhindert werden kann (z. B.
für Garderobendienste in Veranstaltungshäusern).
- Regeln zum Verfahren bei Zugang von Belohnungen und Geschenken.
- Beteiligungs- und Berichtspflichten (zur Vermeidung von Grauzonen und zur
Schaffung von Transparenz).
- (Regelmäßige) Information der Beschäftigten.
- Überwachung der Einhaltung der Regelungen der Dienstanweisung.
Zu 1.:
Es sollte eine - allerdings nur exemplarische - Darstellung erfolgen, was unter
Vorteilen und Geschenken zu verstehen ist. Die Vielfalt der denkbaren Vorteile
wird zum Beispiel deutlich durch das Aufführen von:
- Geldzahlungen,
- geldwerten Vorteilen (z.B. Gutscheine, Eintrittskarten, Übernahme von
Hotel- und Bewirtungskosten u.ä. außerhalb genehmigter Dienstreisen,
Rabatte),
- Sachwerten (z.B. Spirituosen, Bücher, CD´s u.ä.),
- Sonstigen Vorteilen (z.B. Überlassung von Gebrauchsgegenständen,
Räumen, Fahrzeugen, Einräumung verbilligter Einkaufsmöglichkeiten,
kostenlose oder verbilligte handwerkliche Tätigkeiten usw.)
Zu 1. und 2.:
In der Praxis kommt es gelegentlich zu Diskussionen, weil Beschäftigte
Regelungen der beschriebenen Gestaltung als zu eng bzw. auch als "entmündigend"
beklagen. Ferner wird gelegentlich das Argument erhoben, dass derartige enge
Regelungen Dritten den Eindruck vermitteln, die Beschäftigten ließen
sich ohne eine solche enge Regelungslage von geringfügigen Geschenken in der
Entscheidungsfindung beeinflussen.
Zu einer vermehrten Akzeptanz kommt es dann regelmäßig, wenn verdeutlicht
wird, dass die getroffenen Regelungen nicht zuletzt dem Schutz der Beschäftigten
dienen, indem eindeutige Bewertungs- und Verhaltensregeln geschaffen worden sind,
die einerseits die Einschätzung im Einzelfall erleichtern sollen und auf die
andererseits auch von den Betroffenen verwiesen werden kann (die Beschäftigten
können angebotene Belohnungen und Geschenke ablehnen und dabei auf die
Dienstanweisung hinweisen. Dieser Hinweis und das Ansprechen der im Falle einer
Annahme sogar zu erwartenden persönlichen Konsequenzen lassen eine Ablehnung
weniger unhöflich erscheinen und setzen die Beschäftigten weniger einer
Diskussion aus).
Weiterhin schafft der ausdrückliche Hinweis mehr Akzeptanz, dass die
Verantwortung für ein korrektes Vorgehen im Einzelfall weiterhin bei den
Beschäftigten liegt, die einerseits nicht selten selbstständig
("vor Ort") eine erste Einschätzung zur Situation treffen und
andererseits regelmäßig die ersten Schritte zur Einzelfallabwicklung
einleiten müssen. Sensibilisierend wirkt zudem die Darstellung des sog.
"Anfütterns" und der Hinweis darauf, dass dieser Vorgang nach
Erkenntnissen aus der Analyse von Korruptionsfällen nicht selten den Einstieg
in die geplante Korruption bildet, und von einem Externen geplant und gezielt
eingesetzt werden kann, während die interne Kontaktperson noch gutgläubig
sein kann und sich erst nach und nach verstrickt. Weiterhin kann auf den sog.
"bösen Schein" (auch gegenüber unbeteiligten Dritten)
hingewiesen werden, der ebenfalls mit der Annahme von Geschenken verbunden
sein kann und zu vermeiden ist.
Zu 3.:
Geboten ist zumindest die Beteiligung der nächsten Vorgesetztenebene und
abgestuft der Dienststellenleitung. Für besondere Einzelfälle (z.B. beim
Eingang hochwertiger Vorteile, Bargeld, der Schenkung an Dienststellenleitungen
usw.) sollte die Behördenleitung zu beteiligen sein.
Zu 4.:
Dienststelleninterne und -externe Beteiligungen sind anzusprechen. Zu den
"externen" Stellen sollte immer die Personalverwaltung sowie die
Antikorruptionsstelle/der Antikorruptionsbeauftragte zählen.
Zu 5.:
Ein Faltblatt zur Korruptionsvorbeugung und eine Veröffentlichung in einer
zentralen Verwaltungsmitteilung kann für eine umfassende Erstinformation
sorgen.
Die Beschäftigten sollten die Dienstanweisung mindestens einmal jährlich
in Form eines Dauerumlaufes erhalten und die Kenntnisnahme bestätigen
müssen.
Weiterhin sollte anlässlich von Mitarbeiterbesprechungen wiederkehrend
über das bestehende Verbot informiert werden.
Die Nutzung der modernen Medien wie Intranet und Mailsystem sichert allen an die
entsprechenden Systeme angeschlossenen Arbeitsplätzen den schnellen und
einfachen Zugriff auf die Informationen.
Zu 6.:
Die Einhaltung der Regelungen der Dienstanweisung muss strikt überwacht werden;
hierbei kommt den unmittelbaren Vorgesetzten eine besondere Verantwortung zu.
Dem entsprechend müssen diese qualifiziert über den Umfang und den Inhalt
der Kontrollaufgaben informiert werden.
Wichtig ist zudem die Information der Vorgesetzten zur strafrechtlichen
Bestimmung des § 357 StGB, der für Vorgesetzte relevant ist. Tathandlung
nach dieser Vorschrift ist das vorsätzliche Verleiten zu einer rechtswidrigen
Tat oder aber das Geschehenlassen der rechtswidrigen Tat. Täter kann der
Dienstvorgesetzte oder ein Aufsichts- und Kontrollbeamter sein.
Das Gesetz regelt drei Fälle:
Die vorsätzliche Verleitung zu einem Amtsdelikt, also eine erfolgreiche
Einwirkung zur Begehung des Amtsdelikts. Zur Verwirklichung dieses Straftatbestandes
genügt jede Art der Einwirkung, auch das Verleiten zu einer nicht
vorsätzlichen Tat.
Das Unternehmen der Verleitung zu einem Amtsdelikt. Hier wird die erfolglose
Einwirkung mit Strafe bedroht.
Das wissentliche Geschehenlassen eines Amtsdelikts, also regelmäßig
die Beihilfe durch Unterlassen, die hier als Täterschaft bestraft wird.
Voraussetzung für das Verwirklichen des Straftatbestandes ist, dass der
Vorgesetzte rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, die strafbare
Handlung zu verhindern.
Angezeigt ist eine Information der Öffentlichkeit
über die Regeln zum Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken.
Insbesondere z. B. in der Vorweihnachtszeit bieten sich Presseveröffentlichungen
mit u.a. dem Tenor an, dass Dritte (Bürgerinnen und Bürger, Auftragnehmer
usw.) von Geschenkübermittlungen Abstand nehmen sollen, da sich eine Annahme
derartiger Vorteile durch die Bediensteten grundsätzlich verbietet.
Alle Aspekte der Vorteilsannahmen - auch in diesem Zusammenhang aufgetretene
Einzelfälle - zählen zu den Sachverhalten der Korruptionsbekämpfung,
die unbedingt turnusmäßig im Rahmen des Berichtswesens
zur Antikorruption abgefragt werden müssen.